20.04.2020 /

Agilität und Schnelligkeit: So bleiben Pharmaunternehmen in einer digitalisierten Welt konkurrenzfähig

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Die derzeitige Lage stellt erneut unter Beweis, wie wichtig digitale Technologien sind und wie stark sie unseren Alltag dominieren. So bleiben uns dank Smartphones sowie Apps die Kommunikation in Echtzeit und dank Internet der Zugang zu aktuellen Informationen weiterhin erhalten. Auch in der Pharmaindustrie macht sich die Notwendigkeit der Digitalisierung bemerkbar. So entstehen zwar für Unternehmen, die digitale Prozesse bereits seit einiger Zeit einsetzen, keine grundlegenden Veränderungen in ihrer Arbeitsweise. Für andere wiederum bedeuten diese Situation sowie das Aufkommen neuer digitaler Wettbewerber im schlimmsten Fall die Obsoleszenz und den Verlust der Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Produkte und Dienstleistungen. Daher ist das Vorantreiben der Digitalisierung im eigenen Pharmaunternehmen die notwendige Voraussetzung, um nachhaltig konkurrenzfähig zu bleiben.

Die größte Gefahr geht dabei von Wettbewerbern aus, die durch ihre Größe und Innovationsgeschwindigkeit weder übernommen noch überholt werden können. Dabei handelt es sich vor allem um Tech-Konzerne, die bereits eigene Life-Science-Abteilungen gegründet haben und bestehende Organisationen so überflüssig machen. Für Pharmaunternehmen bedeutet das, innovative Technologien und Methoden in interne Arbeitsprozesse zu integrieren. Denn in einer digitalisierten Welt zählen Agilität und Schnelligkeit zu den essentiellen Fähigkeiten einer Organisation.

 

Mehr Geschwindigkeit und flexible Arbeitsziele: Warum agile Methoden ein Muss sind

Agile Methoden können dabei helfen, die Geschwindigkeit in Unternehmen zu erhöhen. Dabei gilt die Grundannahme, dass sich das Ziel im Laufe eines Projektes ändern kann und soll. Eine Organisation muss diesen Wandel ins Zentrum aller Bemühungen stellen. Agile Produktentwicklung baut beispielsweise darauf auf, alle Arbeitsprozesse so auszurichten, dass schnell testbare Ergebnisse generiert werden. Diese können dann bei Bedarf in einem iterativen Prozess weiter verfeinert werden. Etwaige Fehlentscheidungen können so früh erkannt und korrigiert werden. Hierdurch werden nicht nur kostspielige Fehler vermieden, sondern es wird auch die generelle Hürde für Investitionen in innovative Ideen gesenkt.

 

Selbstbestimmung und Kleinteiligkeit: Projektarbeit neu gedacht

Anders als bei den klassischen Wasserfall-Projekten, bei denen versucht wird, das gesamte Projekt in einer holistischen Art Top-down zu planen, setzen agile Methoden auf Kleinteiligkeit und Selbstbestimmung. So werden Projekte in kleine möglichst abgeschlossene Arbeitspakete zerlegt. Diese Arbeitspakete werden zentral gesammelt, einer Aufwandsschätzung unterzogen und mit einer Priorität versehen. Die so gewichteten Arbeitspakete bezeichnet man als „Backlog“, der in Summe den gesamten Scope des Projektes abbildet. Die Abarbeitung der Arbeitspakete verläuft dann je nach Methode entweder timeboxed in fest definierten Iterationen bzw. „Sprints“ oder in einem kontinuierlichen „Flow“. Die Kurzfristigkeit der konkreten Tätigkeitsplanung erlaubt es dabei auch im laufenden Projektbetrieb neue Aufgaben hinzuzufügen oder bestehende zu ändern.

 

Kanban Board

Fokus Produktentwicklung: Mit „Scrum“ alte Organisationsstrukturen durchbrechen

Bekannte agile Referenzmodelle wie „Scrum“ und „Kanban“ können Orientierung geben und dabei helfen, die vielfältigen Komplexitätsdimensionen im eigenen Pharmaunternehmen greifbar zu machen. Durch die Formalisierung von Rollen wird eine klare Arbeitsteilung vorgegeben. So werden Institutionen beschrieben, welche die tägliche Projektsteuerung mit den Prinzipien von kontinuierlicher Verbesserung verbinden.
Bei der „Scrum“-Methode werden klassische funktionale Organisationseinheiten durchbrochen und alle Unternehmensfunktionen einer produktorientierten Organisation zugeordnet. Produktfokussierte Teams bilden dann selbstverwaltet alle Teilprozesse des Produktlebenszyklus von Forschung und Entwicklung bis zum Marketing ab. Die Produktausrichtung erlaubt es Unternehmen für alle wertschöpfungsstiftenden Aktivitäten individuelle Wege zu gehen und dabei durch spezialisierte Maßnahmen klassische Wachstumsgrenzen zu überwinden.

 

Fokus „Lean Management“: Mit „Kanban“ in den Arbeitsflow eintauchen

Doch auch kleinere Teams können die Vorteile agiler Methoden für sich nutzen, ohne dass gleich die gesamte Organisation umgebaut werden muss. „Kanban“ hilft als agile Projektmanagement-Methode dabei, komplexe Prozesse zu vereinfachen sowie Effizienz und Sichtbarkeit zu erhöhen. Entstanden in der Automobilindustrie in den 1980er Jahren hat „Kanban“ als „Lean Management“ und „Just in Time Delivery“ bereits vielfach den Einzug in deutsche Unternehmen gehalten. Der Kern dieser Methode ist das präzise Abstimmen von Produktions- und Wertschöpfungsschritten zur Minimierung von Leerständen, Lagerhaltung und ungenutzten Produktionskapazitäten. Eine „Kanban-Karte“ wandert dabei als Laufzettel von Station zu Station und dokumentiert transparent den gesamten Vorgang. Digitale Projektmanagement Software ermöglicht aktuell die vollständige Virtualisierung von Arbeitsabläufen und damit abgestimmte Zusammenarbeit über Orts- und Landesgrenzen hinweg.

Fazit

Dank agilen Methoden dem Innovationsdruck standhalten

Für Pharmaunternehmen ergeben sich aus den komplexen regulatorischen Anforderungen oft sehr träge und langsame Prozesse. Abteilungsübergreifende Genehmigungsverfahren bremsen Prozesse und bergen die Gefahr Innovation und „out-of-the-box“-Denken im Kern zu ersticken. Besonders starkreglementierte Prozesse haben aber gleichzeitig das größte Potential von agilen Methoden zu profitieren. Die Einführung von teamübergreifendem agilen Prozessmanagement nach „Kanban“-Vorbild kann helfen, Probleme zielgerichtet und unmittelbar zu lösen, ohne dabei den Gesamtprozess auszubremsen oder zu stoppen. In Bereichen wie Social-Media-Marketing und Online-Customer-Support sind agile Methoden sogar die Grundvoraussetzung, um leistungsfähig zu sein.

Allgemein gilt: Flexibel auf Veränderungen reagieren zu können ist eine klare Voraussetzung, um dem steigenden Innovationsdruck im digitalen Zeitalter gewachsen zu sein. Agile Methoden können dabei helfen, die eigene Flexibilität zu erhöhen und ungenutzte Innovationspotentiale zu erschließen. Pharmaunternehmen sollten sehr aufmerksam sein und die möglichen Potentiale für ihre Organisation evaluieren – egal ob für die Gesamtorganisation, Ländergesellschaft oder Marketing- und Vertriebsabteilung. Speziell traditionsreiche Unternehmen mit jahrelang gewachsener Prozesslandschaft können hier besonders profitieren.