19.04.2022 /

App and away – Warum haben es DiGAs so schwer?

Lesezeit ca. 4 min

Die App auf Rezept hat nun seit 1,5 Jahren auch den deutschen Gesundheitsmarkt erreicht. Das klare Versprechen: Die Verbesserung von Diagnostik und Therapie auf digitalem Weg für die behandelnden Ärzt*innen sowie Patient*innen. Nach der anfänglichen Aufbruchsstimmung in der Healthcare-Branche gerät das Wachstum von DiGAs jedoch ins Stocken. So gab es lediglich 50.000 Verordnungen und davon auch nur 40.000 Einlösungen in den letzten 12 Monaten. Zudem wurden viele der Zulassungsanträge zurückgezogen. Studien, um einen nachhaltigen Benefit für Ärzt*innen zu schaffen, werden aufgrund des Kostenfaktors abgelehnt. Im Gegenzug sehen Ärzt*innen den Wald vor lauter Bäumen nicht und fühlen sich schlecht informiert. Kein Wunder also, dass Healthcare-Professionals (HCPs) und Patient*innen gleichermaßen DiGAs gegenüber eher skeptisch eingestellt sind. Ein Grund mehr also digitale Gesundheitsanwendungen (DiGAs) genauer unter die Lupe zu nehmen.

 

Können DiGAs das klassische Pharma-Portfolio ergänzen? Ja, aber es gibt Hürden!

Bei Betrachtung der vergangenen zwei Jahre kann man festhalten, dass die Corona-Pandemie die Digitalisierung der Gesundheitsbranche unaufhörlich beschleunigt. Neben der hybriden Aufstellung des Vertriebs und einer präferenzbasierten, datengetriebenen Omni-Channel-Ansprache rückt nun auch die digitale Patientenversorgung zunehmend in den Fokus. DiGAs stellen hierbei einen wichtigen Baustein dar, bestehende Therapien sinnvoll zu ergänzen und auch neben der Versorgung durch Ärzt*innen weitere Tools zur Unterstützung von Patient*innen und deren Monitoring bereitzustellen. Doch es gibt Hürden auf diesem Weg. Denn bei der Marktetablierung von DiGAs tun sich scheinbar alle Akteur*innen schwer. Der Einführungsprozess erweist sich als problematisch für alle beteiligten Stakeholder, da die Versorgungslandschaft und der Markt selbst derzeit nur wenig auf solche Innovationen ausgerichtet zu sein scheint. So ist die Listung für Unternehmen und der Verschreibungsprozess sowohl für Patient*innen als auch Healthcare-Professionals in der Kassenlandschaft teilweise undurchsichtig und durch einen Mangel an notwendigen Informationen gekennzeichnet. So wird die mehrwertbringende Integration in das Gesundheitssystem nur schwer zu erreichen sein. Dabei könnten genau solche Anwendungen das oftmals doch sehr klassische Portfolio von Pharmaunternehmen aufmischen und verjüngen. Häufig sind Startups die proaktiven Treiber solcher Innovationen und sehen sich schlussendlich mit einer Masse an Regulationen konfrontiert. Zusätzlich fehlt Ihnen die nötige Kapazität und Distributionsfläche für einen großflächigen Markteintritt. Eine Zusammenarbeit mit der Pharmabranche wäre daher ideal, findet aber zu selten auf Grund der unterschiedlichen Erwartungen und Zielvorstellungen statt.

 

Wie funktioniert der Vertrieb? HCPs aktiv unterstützen!

Dass viele Ärzte und Ärztinnen bei diesen neuen Anwendungen zurückhaltend sind, ist kein Geheimnis. So werden erste Stimmen laut, die das Erprobungsjahr auf Grund zu weniger Informationen, der Qualität der Apps und deren Wirksamkeit sowie offenen Haftungsfragen in Zweifel ziehen. Auch fehlt häufig die komplette Übersicht über erstattungsfähige Angebote. Aufklärung seitens der pharmazeutischen Industrie ist also dringend notwendig. Denn ebenso wie bei herkömmlichen Medikamenten gilt es, die Funktionalität und Wirkungsweise der digitalen Gesundheitsanwendung mit dem verschreibenden Mediziner bzw. der Medizinerin zu besprechen. Wichtig ist auch hier wieder die präferenzorientierte Ansprache. Für eine schnelle und umfassende Auskunft muss daher auf die Bedürfnisse des Gegenübers eingegangen und passgenaue Informationen geliefert werden. Die Key Player wie Ärzt*innen und Patient*innen bestimmen dabei den Markt und eben letztendlich auch die Nachfrage. Die pharmazeutische Industrie fragt derzeit jedoch noch zu selten nach dem eigentlichen individuellen Informationsbedarf. Fatal! Denn schlussendlich muss der Arzt bzw. die Ärztin miteingebunden werden, damit eine DiGA die betroffenen Patient*innen erreicht. Daher sind es oft, wenn überhaupt, die informierten Patient*innen selbst, die HCPs für das Thema DiGAs sensibilisieren.
Neben Informationsveranstaltungen, Mailings und redaktionellen Beiträgen, sind digitale Kanäle daher eine sinnvolle Ergänzung im eigenen Omni-Channel-Orchester eines DiGA-Publishers. So kann der Kontakt auch z. B. per E-Mail oder Newsletter, mithilfe eines HCP-Portals, aber auch per Messenger, Videotelefonie oder Webchat aufgenommen werden. Alle Maßnahmen der Omni-Channel-Ansprache müssen so aufgebaut sein, dass eine personalisierte Customer Journey für die Zielgruppe entsteht. Denn nur so können HCPs aufgeklärt, aktiv unterstützt und damit die Akzeptanz der Apps gesteigert werden. Eine anschließende gewisse „Lautstärke“ in der Vermarktung tut dann ihr Übrigens bei Betroffenen.

Mehr Infos zum spannenden Thema gibt es in unserem Livestream:

inside good healthcare: App and away – Warum haben es DiGAs so schwer?

Fazit

Es fehlt an der Aufklärung, denn das Potenzial ist da!

Wir befinden uns derzeit nicht mehr nur in der Entwicklungsphase, vielmehr wurde der erste Schritt hin zu einer digitalen Versorgung gemacht. Die Vorteile sowohl für Patient*innen und Ärzte bzw. Ärztinnen liegen dabei auf der Hand. Nicht nur die Arbeit von Medizinern und Medizinerinnen wird flexibler, auch die Lebensqualität Betroffener wird durch ein breiteres Versorgungsportfolio verbessert. Jedoch fehlt es aktuell noch klar an der kommunikativen Unterstützung aller Beteiligten! Pharma kann und muss hier als Bindeglied agieren. Es gilt daher eine Lanze zu brechen, aktiv aufzuklären und beratend sowohl HCPs als auch Betroffenen zur Seite zu stehen, um die Akzeptanz zu steigern und die Patientenversorgung so zu verbessern.